Die Florfliege

Die Florfliege

Feierabend! Und endlich zu Hause angekommen. Ich steige aus dem Auto und öffne die hintere Tür, um meinen Rucksack und meine Jacke von der Rückbank zu holen. Als ich gerade die Tür wieder zuschlagen will, halte ich inne – als ich eine Dreiviertelstunde zuvor meine Sachen ins Auto geladen und die Tür geschlossen habe, habe ich scheinbar eine Florfliege zwischen Tür und Gummidichtung eingeklemmt. Das arme Tier! Im ersten Moment will ich sie mit der Hand von der Dichtung streichen, denn noch mal einklemmen mag ich sie nicht. Auch wenn sie eh nicht mehr lebt.

Doch was ist DAS?

Im letzten Moment fällt mir ein Schimmern auf. Ein Glitzern. Farben. Ich halte inne und sehe mir das Tier noch einmal genauer an. Wie durch ein Wunder ist den zarten Flügeln des kleinen Insekts nichts passiert. Sie sind völlig intakt, nicht geknickt oder gerissen, und glitzern und flimmern mal in grün und blau und mal in rot und gelb, je nach dem wie die Sonne darauf scheint. Ich bin begeistert. Behutsam nehme ich das zerquetschte Tier in die Hand und bringe es vorsichtig nach oben in unsere Wohnung.

Nach einigen Tagen, in denen die Florfliege auf meinem Schreibtisch lag und mich immer wieder daran erinnerte, wie hübsch die Flügel im Licht geleuchtet haben, kam der Moment, in dem ich mich kurz fragte, was ich als nächstes machen soll. Die To-Dos des Tages waren abgearbeitet, fürs Kochen war es noch zu früh. Also, was nun? Ah, da war ja noch die Florfliege! Ich schnappe mir ein paar Objektive, meinen Telekonverter, mein Set mit Zwischenringen und meine Nahlinse, hole die kleine grüne Fliege und positioniere sie auf einem Objektivdeckel auf dem Küchentisch.

„Was machst du denn da?!“

Diese etwas irritierte und zugleich belustigte Frage kommt von Daniel, der aus dem Wohnzimmer, wo er an der Homepage arbeitet, durch die offenstehenden Türen mein Treiben verfolgt. Es bedarf eigentlich keiner Antwort – ihm ist schon klar, dass ich wieder irgendetwas auf völlig abstrakte Weise fotografiere. Und es macht Spaß!

Ich probiere mich zuerst mit meinem Lieblings- und Immerdrauf-Objektiv, dem 100-400mm. Doch damit bekomme ich nicht ansatzweise das hin, was mir vorschwebt. Schnell liegt es deshalb auf dem Friesensofa, das nächste Objektiv muss ran. Es ist das Lensbaby Composer Sweet 35. Hier komme ich der Sache schon näher, doch zufrieden bin ich nicht. Ich ahne schon, worauf es – wieder mal – hinausläuft, wie schon so oft in diesem Jahr.

Der Einsatz des Lensbaby war nicht sonderlich erfolgreich. Der Aufbau ist hier, abgesehen von der Nahlinse, allerdings der gleiche wie später mit dem Helios 44-2.

Helios 44-2

Es wird wieder das gute alte Helios 44-2 mit gedrehter Frontlinse. Irgendwie habe ich es von Anfang an geahnt. Es sorgt für die abstrakten Effekte, die ich suchte, hat gleichzeitig die passende Brennweite und Naheinstellgrenze, die ich brauchte. Zumindest in Kombination mit Konverter und Zwischenringen.

Wie bei den vorigen Objektiven drehe ich die Naheinstellgrenze auf ein Minimum, mache die Blende ganz auf und schaue, was das Bokeh hergibt und wie sich die Reflexionen auf den Flügeln mit jeder Bewegung der Kamera verändern. Es scheint manchmal, als würde jemand farbiges Licht auf das Motiv werfen, doch was ich da auf meinem Bildschirm sehe, sind einzig die Reflexionen von Handy- und Küchenlampe.

Ich bewege die Kamera vorsichtig und langsam hin und her, vor und zurück. Dabei rufe ich mir immer wieder ins Gedächtnis, auch mal Teile der zarten Flügel scharf abzubilden. Und gleichzeitig weiß ich, dass ich immer wieder davon abweichen werde, da mich diese völlig abstrakten Bilder, die ich da auf meinem Display sehe, total verzaubern.

Und ihr so?

Habt ihr euch schon einmal an einem leblosen Tier ausprobiert, das ihr irgendwo gefunden habt? Dem einen oder anderen mag es vielleicht etwas makaber vorkommen. Und manchmal ist auch mir nicht ganz wohl dabei. Und doch: Ist es nicht besser, sich an einem leblosen Tier völlig kreativ auszutoben, als ein lebendiges Tier durch mein Treiben unter Umständen zu stressen?

Wir sind auf eure Meinungen gespannt!

Eure Christine

naturgezwitscher

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