Ein Abend in zwei Teilen. Oder: Vom Foto, das hätte gemacht werden können

Christines Version

Neulich abends waren die Bedingungen mal wieder außerordentlich gut. Es war angenehm warm, wenig Wind und ein fast wolkenloser Sonnenuntergang stand bevor. Was der Landschaftsfotograf langweilig findet, sagte uns für unser Vorhaben dagegen richtig zu: Wir wollten wieder zum Friedhof, Vögel fotografieren! Und schon 50m die Straße runter blieben wir das erste Mal stehen. Ein Rotkehlchen schmetterte uns sein Lied entgegen. Langsamer werdend suchten wir die Gebüsche in den Vorgärten ab. Da saß es: Auf einer kräftigen Blauregen-Ranke, die sich um eine der Straßenlaternen windet (ein kleiner Streitfaktor zwischen der Stadt und unserem Nachbarn übrigens… 😉 )

Das bereits golden werdende Abendlicht leuchtete das Haus und die Büsche an und so konnten wir quasi direkt vor unserer Haustür mit der Fotografie beginnen.

Was für ein grandioser Start! Es versprach, ein erfolgreicher Abend zu werden. Nachdem der kleine Vogel weiter geflogen war, gingen auch wir unseres Weges Richtung Friedhof. Dort angekommen liefen wir erstmal auf die andere Seite zur Bruthöhle von Blaumeisen, die wir neulich entdeckten. Plötzlich Bewegung über uns. Daniel zog nur erfürchtig geräuschvoll die Luft ein und als ich meinen Blick hob, sah ich, was er dort bestaunte. Ein Greifvogel, vermutlich ein Mäusebussard, war in einer der alten Linden gelandet. Ich war geflasht! Ich hob vorsichtig die Kamera. Der Bildausschnitt war noch nicht optimal, also ging ich vorsichtig in die richtige Position. Noch mal scharf stellen und warten, bis der Vogel, der gerade sein Gefieder putzte, seinen Kopf in eine annehmbare Stellung brachte. Das goldene Abendlicht fiel sanft gebrochen auf den Vogel und das frische Grün drum herum. Blätter im Vordergrund sorgten für verträumte Unschärfe. Ich wurde ungeduldig, wollte aber nicht den richtigen Moment verpassen, nur weil ich mittelschöne Szenen fotografierte, in denen der Vogel seinen Kopf hinter dem Körper hatte.

Plötzlich kam mir ein Gedanke: Ist der Stabi an? Oft schalte ich ihn für ICMs aus. Statt einfach den Auslöser halb zu drücken und auf das Geräusch zu lauschen, nahm ich die Kamera vom Kopf, schaute auf den Schalter, nur um festzustellen: Ja, ist an. Ich schaute wieder nach oben, konnte den Vogel aber nicht mehr finden. War er weggeflogen? Ich schaute auf Daniel, der immer noch mit der Kamera nach oben gerichtet da stand. Ich schaute wieder in den Baum hinauf. Das gibt es doch nicht! Wo ist der Greif? Noch ein Blick zu Daniel, der seine Position nicht verändert hatte. Und wieder nach oben. DA! Jetzt hatte ich ihn wieder, nahm die Kamera hoch und schaute durch den Sucher. Doch mit der Kamera im Anschlag konnte ich ihn nicht finden. Noch mal ein Blick dran vorbei. Nichts. Ein Blick zu Daniel, der bedauernd drein schauend die Kamera gesenkt hatte. „Weg ist er…“ sagte er.

Und dann? FRUST! Ich war völlig aufgebracht, weil ich mir diese perfekte Chance hatte entgehen lassen. Wir gingen noch mal die Allee hinauf und hinunter, weil Daniel ihn in der Nähe hatte landen sehen. Aber es war, als ob sich der Vogel in Luft aufgelöst hätte. Er war nicht mehr zu finden. Also trennten sich unsere Wege, jeder lief für sich über den Friedhof, in der Hoffnung, Vögel vor die Linse zu bekommen bei diesem schönen Abendlicht. Leider hatte ich kein Glück. Hörte ich irgendwo eine Amsel oder ein Rotkehlchen singen und lief langsam aber gezielt in diese Richtung, waren sie weg, bevor ich sie erreicht hatte. Oder ich übersah einen nicht singenden Gesellen zwischendrin, der dann erschrocken aufflog. Kein einziges sinnvolles Foto brachte ich an diesem Abend noch zu stande. Manchmal gewinnt man und manchmal verliert man – an diesem Abend fühlte es sich definitiv an wie Letzteres.

Daniels Version

Um es vorweg zu nehmen: Auch ich habe kein Foto von dem Greif machen können. Ich stand zu nah am Baum und es war immer an der falschen Stelle (dem Kopf) etwas im Weg. Dazu war der Winkel zu steil. Ich habe ihn etwas später noch einmal gesehen, wie er in einen anderen Baum fliegt, aber dort im dichten Blätterdach einfach nicht finden können.

Es kann auch sein, dass er einfach wieder weiter geflogen ist und ich ihn in dem Gegenlicht einfach nicht gesehen habe. Aber wie dem auch sei: Ich war am Rande des Friedhofs angekommen und musste erst wieder ein Stück mit dem Licht auf den Hauptweg zurück Laufen. Um mich herum sangen einige Vögel ihr Abendlied, gesehen habe ich aber keinen. Ich war ein wenig genervt, bin dann aber einfach weitergelaufen und habe Augen und Ohren offen gehalten. Bis auf das Rotkehlchen ganz am Anfang hatte ich an dem Abend auch noch kein Foto gemacht. Wieder auf dem Hauptweg angekommen sah ich plötzlich Bewegung. Zwei Tauben saßen auf einem Grabstein und haben gebalzt! Ich habe mich langsam genähert und konnte so einige Aufnahmen mit dem Licht machen. Aber eigentlich hatte ich, inspiriert von Christines Bildern bei unserem letzten Besuch, schöne Gegenlicht Aufnahmen im Kopf. Also beschloss ich das Risiko einzugehen und auf dem nebenliegenden Weg um die Tauben herumzugehen. Ich habe einfach so getan, als sei ich gar nicht an ihnen interessiert und lief normalen Schrittes weiter. Dies hat zum Glück auch geklappt und so konnte ich mit etwas Deckung auch aus einer super Position aus fotografieren. Das Licht war mittlerweile schon sehr orange, die Sonne stand schon ziemlich tief und drohte bald zu unterzugehen. Die Tauben blieben zum Glück noch etwas sitzen und so konnte ich einige Bildideen umsetzen:

Nachdem die Tauben weggeflogen sind, habe ich noch nach anderen Vögeln Ausschau gehalten. Die Sonne war mittlerweile aber schon untergegangen und ich hatte wenig Hoffnung. Doch da entdeckte ich noch eine Amsel, die eifrig ihre Lieder schmetterte. Sie saß auf einem höheren alten Grabstein und ich suchte nach einer guten Bildkomposition. So recht gefallen wollten mir die Fotos allerdings nicht.. bis auf einmal die Straßenlaternen angingen und ich eine Idee bekam:

Als sie weggeflogen war, machte ich mich auf die Suche nach Christine und zusammen traten wir dann den Heimweg an. Kurz vor unserem Zuhause hatten wir dann ein Deja Vu: das Rotkehlchen saß noch auf dem geschwungenen Ast und sang seine Abendlieder! Mit dem letzten Abendrot im Hintergrund war das für mich ein gelungener Abschluss unseres Abends. Ich hatte einfach die gewisse Prise mehr Glück mit den Vögeln – einige Tage später war ich auch verzweifelt auf der Suche, wie Christine eben an diesem Abend…

Ein ganz besonderer Moment

Einige Tage später waren wir nochmal auf dem Friedhof. Ich wollte mich an weiteren Gegenlichtaufnahmen versuchen, aber wie schon angedeutet: die Vögel waren zwar da, aber saßen an keinen fotogenen Stellen, oder flogen direkt weg. Ihr kennt das bestimmt. Doch genau an diesem Abend in der Dämmerung sollte etwas besonderes passieren. Hinter mir war auf einmal ein riesen Getöse, ich konnte eine Elster sehen, die sehr schnell durch die Luft flog und anscheinend einen anderen Vogel jagte. Einige Amseln waren auch ganz aufgeregt und so dachte ich, dass es eventuell eine Revierstreitigkeit ist. Das Ganze ging einige Runden und irgendwie kam mir der gejagte Vogel doch komisch vor.. er war so braun und eigentlich sollte der Streit schon längst beigelegt sein. Die Vögel landeten in der Nähe und uch ging ein paar Meter darauf zu. Die Elster hatte etwas im Schnabel – sie hatte also scheinbar Erfolg bei der Jagd. Es sah erst so aus, als hätte sie eine Art Blatt im Schnabel, was mir schon komisch vorkam. Doch dann erkannte ich durch den Sucher, dass es sich um eine Fledermaus handelte?! Das kann doch gar nicht sein?! Das habe ich ja noch nie gehört! Den Finger habe ich nicht vom Auslöser gelassen und versucht so viele Bilder wie möglich zu machen. Das Ganze ging vielleicht 10-20s, mir kam es in dem Moment aber irre lang vor. Die Fledermaus wurde am Ende an einem Stein betäubt und die Elster flog mit ihr von dannen. Wow – was ein Moment! Daran werde ich mich noch lange erinnern..

Habt ihr auch schon mal etwas besonderes in der Natur erlebt? Völlig unerwartet?

Eure Christine und euer Daniel

naturgezwitscher

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2 Kommentare
  • Susanne Steinhoff
    Posted at 08:21h, 24 Mai Antworten

    Wow, das ist ja wirklich ein absolut außergewöhnlicher Moment gewesen – und Du konntest es sogar dokumentieren! Ich hab in der Mittagspause (keine Kamera!) mal gesehen, wie sich ein Bussard eins unserer Teichhühnchen gegriffen hat, das war auch eine heftige Szene. @Christine: Oh Gott, das tut mir so leid und ich kann das so nachvollziehen! Das ist mir so oft passiert, meistens aber tatsächlich, weil ich mich von Passanten habe ablenken lassen und dann den Blick vom Sucher genommen habe. Kommt aber auf dasselbe raus – Tier ist weg! Nächstes Mal wird es besser!
    Und sehr schöne, sehr romantische Fotos diesmal!

    • Christine Averberg
      Posted at 10:51h, 24 Mai Antworten

      Ja, das passiert wohl jedem immer mal wieder – das gehört leider dazu! Dafür hatte Daniel ja umso mehr Glück mit seiner Elsterjagd…

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